Abtreibung in Deutschland

In Deutschland sind Abtreibungen grundlegend möglich, allerdings mit einigen Hürden verbunden. So ist ein Schwangerschaftsabbruch auch kein anerkanntes Recht, sondern lediglich in einigen Fällen straffrei. Die betreffenden Gesetze finden sich entsprechend im Strafgesetzbuch.

Dank Statistischem Bundesamt ist die Datenlage zu Abtreibungen in Deutschland vergleichsweise gut. So werden jährliche Zahlen zu Anzahl und Hintergründen von offiziellen Schwangerschaftsabbrüchen erhoben.

Gesetz & Regulierungen

Die Gesetzeslage zu Abtreibungen in Deutschland

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erklärt auf seiner Website: „Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland gemäß § 218 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich für alle Beteiligten strafbar“1. Im Gesetzestext heißt es offiziell2:

Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Bundesministerium für Justiz, Strafgesetzbuch (StGB): § 218 Schwangerschaftsabbruch

Allerdings gibt es für Schwangere einige Zusatzparagrafen, die ihre Straffähigkeit abmildern. So gibt es eine eindeutige Unterscheidung zwischen Schwangeren und an Abtreibung beteiligten Personen. Schwangere können nicht allein wegen des Versuchs eines Schwangerschaftsabbruchs belangt werden und die maximale Freiheitsstrafe wird auf ein Jahr oder eine Geldstrafe beschränkt. Zudem sieht die Gesetzgebung in § 218a StGB einige Ausnahmen vor, was die Komplexität der Gesetzgebung deutlich erhöht.

Deutschland hat eines der kompliziertesten Abtreibungsgesetze in Europa.

IPSOS Whitepaper zu Einstellungen und Meinungen zum Schwangerschaftsabbruch in Europa

So gibt es grundlegend drei legale Ausnahmen, bei denen eine Abtreibung ohne Strafe möglich ist:

  1. Abtreibung nach Beratung
  2. Schwangerschaftsabbruch bei medizinischer Notwendigkeit
  3. Schwangerschaftsabbruch bei kriminologischer Indikation

Ausnahme 1: Beratungsregelung (nach § 218a Absatz 1 StGB)

Für die Beratungsregelung ist die schwangere Person aufgefordert, drei Tage vor dem geplanten Schwangerschaftsabbruch eine staatlich anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle aufzusuchen. Hier wird eine sogenannte Beratungsbescheinigung ausgestellt, die dann beim Abtreibungs-Termin vorgelegt wird. Dies ist allerdings nur möglich, wenn der Abbruch innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis vorgenommen wird und der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin nicht an der Beratung beteiligt war.

Voraussetzungen für § 218a Absatz 1 StGB

  • Gespräch in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle mindestens 3 Tage vor dem Termin
  • Beratungsbescheinigung muss vor der Abtreibung vorgelegt werden
  • Möglich innerhalb von 12 Wochen nach der Empfängnis
  • Beteiligte/r Arzt oder Ärztin darf nicht an der Beratung beteiligt gewesen sein

Ausnahme 2: Abtreibung bei medizinischer Indikation (nach § 218a Absatz II StGB)

Sofern der Schwangerschaftsabbruch medizinisch geboten ist, bleibt er ebenfalls straffrei. Hierbei werden sowohl „gegenwärtige“ als auch „zukünftige“ Lebensverhältnisse berücksichtigt. Der Gesetzgeber hat diese Regelung laut Gesetzestext geschaffen, „um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden“. Dabei wird allerdings die Einschränkung vorgenommen, dass die potenzielle Gefahr nicht anderweitig beseitigt werden könne.

Voraussetzungen für § 218a Absatz II StGB

  • Muss medizinisch festgestellt werden
  • Gefahr für das Leben oder einer schwerwiegenden Beeinträchtigung für physische oder seelische Gesundheit
  • Gefahr kann nicht anderweitig abgewendet werden

Ausnahme 3: Abtreibung nach einer Straftat (nach § 218a Absatz III StGB)

Stellt der Arzt oder die Ärztin fest, dass die abtreibende Person Opfer einer Vergewaltigung („rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuches“) wurde, so ist ein Schwangerschaftsabbruch ebenfalls straffrei. Dabei müssen „dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Schwangerschaft auf der Tat beruht“. Zudem dürfen nicht mehr als zwölf Wochen seit der Empfängnis vergangen sein.

Voraussetzungen für § 218a Absatz III StGB

  • Muss medizinisch festgestellt werden
  • Nur nach einer Vergewaltigung
  • Annahme notwendig, dass Schwangerschaft auf der Tat beruht
  • Bis zu zwölf Wochen nach der Empfängnis

Fakten & Zahlen

Wie viele Abtreibungen gibt es in Deutschland?

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) gab es in der Bundesrepublik Deutschland 2023 etwa 106.000 gemeldete Abtreibungen3. Das sind 2,2 Prozent mehr als im Vorjahr. 2021 wurde noch der niedrigste Wert aller verfügbaren Daten seit den 90er-Jahren markiert.

Abtreibungen in Deutschland 2023

Ob sich nun eine nachhaltige Trendumkehr einstellt, wird sich zeigen müssen. Seit den 2000er Jahren, war eine konstante Abnahme der Schwangerschaftsabbrüche zu beobachten.

Warum die Zahl der Abtreibungen in Deutschland zuletzt anstieg, ist allerdings unklar. So äußert sich die Behörde wie folgt:

„Anhand der vorliegenden Daten lässt sich keine klare Ursache für die weitere Zunahme im Jahr 2023 erkennen“

Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes

Die große Mehrheit der Abtreibungen ist auf die sogenannte Beratungsregelung zurückzuführen4. Im Jahr 2023 wurden 102.187 Schwangerschaftsabbrüche auf diese Weise gemeldet. Zudem berichtet Destatis von 3.996 Abtreibungen aufgrund von medizinischen Gründen und 35 Fällen als Folge einer kriminologischen Indikation.

Genauere Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland finden sich auch in der Gesundheitsberichterstattung des Bundes.5

Öffentliche Meinung

Was die Deutschen über Abtreibung denken

Laut eines Whitepapers der Datenanalysefirma IPSOS aus dem Jahr 2016 spricht sich etwa die Hälfte aller Deutschen dafür aus, dass allein der Wille der Frau Schwangerschaftsabbrüche rechtfertigt6.

Rund ein Drittel (35 %) knüpft eine mögliche Abtreibung an Bedingungen und würde sie nur akzeptieren, wenn es sich bei der abtreibenden Person etwa um ein Vergewaltigungsopfer handelt oder Ähnliches. Etwa fünf Prozent lehnen Abtreibung grundlegend ab, akzeptieren sie aber, sofern etwa das Leben der Mutter in Gefahr wäre. Immer noch ein Prozent erkennt keine Rechtfertigung für einen Schwangerschaftsabbruch. Jeder zehnte Befragte konnte oder wollte keine Meinung zu dem Thema äußern.

Befürworter von Abtreibung ohne Bedingungen

Ein relativ ausgeglichenes Bild ergibt sich bei den Befürwortern von Schwangerschaftsabbrüchen ohne Einschränkungen. Die IPSOS Daten zeigen, dass sich das Alter nur unwesentlich auf den Zustimmungsanteil niederschlägt:

47 %
16–32 Jahre
53 %
35–49 Jahre
50 %
50–64 Jahre

Ganz ähnlich sieht es sich auch bei der Verteilung innerhalb der Geschlechtergruppen aus.

51 %
Weiblich
49 %
Männlich

Wer treibt ab?

Wer sind die Menschen, die sich für Abtreibungen entschieden haben?

Etwa ein Viertel aller Abtreibungen in Deutschland geht auf die Altersgruppe zwischen 30 und 35 Jahren zurück. Die zweitgrößte Gruppe (22 %) für Schwangerschaftsbrüche stellen Menschen im Alter zwischen 25 und 30 Jahren dar. Fast jede zehnte Abtreibung geht auf über 40-Jährige zurück (9 %) und rund zwei Prozent auf unter 18-Jährige.

Die meisten Abtreibungen werden von ledigen Menschen durchgeführt. In den vergangenen Jahrzehnten nahmen sowohl die Schwangerschaftsabbrüche bei verwitweten, als auch bei geschiedenen und verheirateten Personen ab.

Abtreibungen in Deutschland werden oftmals durchgeführt, wenn die Person schon Kinder hat. Über die Hälfte (58 %) hatte vor dem Schwangerschaftsabbruch bereits mindestens ein Kind bekommen.

Die überwältigende Mehrheit aller Abtreibungen in Deutschland geschieht innerhalb von 12 Wochen nach der Empfängnis und damit im Zeitrahmen, der durch die Beratungsregelung einen legalen Schwangerschaftsabbruch gewährleistet.

Methoden der Abtreibung

Wie werden Schwangerschaften in Deutschland abgebrochen?

Die Vakuumaspiration ist in Deutschland die beliebteste Abtreibungsmethode. Allerdings nahm gerade in den vergangenen Jahren die Anzahl der mithilfe von Mifegyne oder Mifepristone herbeigeführten Schwangerschaftsabbrüche deutlich zu.

Über die Jahre hinweg ist eine deutliche Zunahme der Abtreibungen durch Mifegyne/Mifepriston auszumachen. Obwohl Curettage von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mittlerweile nicht länger empfohlen wird, wird die Methode nach wie vor in der Bundesrepublik zu einem signifikanten Anteil angewendet.

Kosten & Finanzierung

Was kostet eine Abtreibung in Deutschland?

Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch liegen in Deutschland in der Regel zwischen 300 und 700 Euro, je nach gewählter Methode (operativ oder medikamentös) und Narkoseart. Der medikamentöse Abbruch kostet in der Regel weniger als der operative, da keine Narkose notwendig ist7.

Personen, die einen Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungsregelung vornehmen lassen, tragen die Kosten für den Eingriff selbst. Allerdings können die Kosten für die ärztliche Beratung, Vor- und Nachuntersuchungen sowie Nachbehandlungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.

Hierfür muss die Kostenübernahme vor dem Eingriff bei einer gesetzlichen Krankenkasse beantragt werden, da rückwirkend keine Kosten übernommen werden. Die Bescheinigung über die Kostenübernahme muss der Einrichtung vorgelegt werden, die den Abbruch vornimmt7.

Bei geringem oder gar keinem Einkommen kann zudem ein Anspruch auf die Übernahme der Kosten für die Abtreibung bestehen, unabhängig davon, ob und wie die abtreibende Person krankenversichert ist. Von dieser Regelung eingenommen sind alle, die ein geringeres Einkommen als 1383 Euro im Monat (gilt bis Juni 2024) aufweisen und die kein kurzfristig verwertbares Vermögen haben. Diese Einkommensgrenze erhöht sich für jedes im Haushalt lebende minderjährige Kind um 328 Euro. Eine weitere Erhöhung bis maximal 405 Euro ist möglich, wenn die Kosten der Unterkunft 405 Euro übersteigen. Ein Anspruch auf Kostenübernahme besteht auch, wenn die Person Sozialleistungen beziehen, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten oder in einer Einrichtung leben, deren Kosten von der Sozial- oder Jugendhilfe getragen werden.

Ansprechpartner

An wen können sich Betroffene wenden?

Es gibt zahlreiche Einrichtungen, die bei Abtreibungen weiterhelfen können. Zunächst können Hausärzt*innen erste Ansprechpartner*innen sein. Zudem gibt es verschiedene Beratungsstellen, die kostenfrei Auskunft geben, z. B.:

Quellen

Woher wir unsere Informationen haben

  1. Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/schwangerschaft-und-kinderwunsch/schwangerschaftsabbruch/schwangerschaftsabbruch-nach-218-strafgesetzbuch-81020 ↩︎
  2. Strafgesetzbuch (StGB), § 218 Schwangerschaftsabbruch: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__218.html ↩︎
  3. Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts (Destatis): https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/03/PD23_120_233.html ↩︎
  4. Informationsbrochüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (PDF, S.9): https://www.bmfsfj.de/resource/blob/95282/ed384270cbdec0132e2ccfb335561982/schwangerschaftsberatung—218-data.pdf ↩︎
  5. Tabelle zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland der Gesundheitsberichterstattung des Bundes: https://www.gbe-bund.de/gbe/isgbe.information?p_uid=gast&p_aid=73680305&p_sprache=D&p_thema_id=3724&p_thema_id2=1&p_thema_id3=&p_thema_id4 ↩︎
  6. Whitepaper von IPSOS Deutschland (PDF): https://www.ipsos.com/sites/default/files/2017-03/WP_Schwangerschaftsabbruch%20in%20Europa_RZ.pdf ↩︎
  7. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: https://www.familienplanung.de/schwangerschaftskonflikt/schwangerschaftsabbruch/die-kosten-eines-schwangerschaftsabbruchs/ ↩︎
  8. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: https://www.familienplanung.de/schwangerschaftskonflikt/schwangerschaftsabbruch/die-kosten-eines-schwangerschaftsabbruchs/ ↩︎

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